„‚Patient Involvement‘ und Datenschutz in der Medizin und medizinischen Forschung sowie relevante, Ethical, Legal and Social Issues‘ (ELSI)“

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Zu Ehren der DFG-Heinz Maier-Leibnitz-Preisträgerin 2020, Dr. Fruzsina Molnár-Gábor von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften fand am 17. September 2021 in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wissenschafts- und Innovationshaus Tokyo (DWIH Tokyo) eine Online-Konferenz statt. In einem multidisziplinären Ansatz diskutierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und Japan aktuelle Entwicklungen in der Biomedizin und medizinischen Forschung auf Basis von ethischen, juristischen und sozialen Fragestellungen sowie Datenschutzaspekten.

Eröffnet wurde die virtuelle Veranstaltung durch Dr. Ingrid Krüßmann, seit 2019 Direktorin des Japan-Büros der DFG. Sie ist außerdem stellvertretende Leiterin der Gruppe Internationale Zusammenarbeit der DFG, und sie ist deutsche Direktorin (Strategie) des Chinesisch-Deutschen Zentrums für Wissenschaftsförderung.
Dr. Krüßmann begleitete schon im Jahr 2009 die Gründung des Japan-Büros und betonte vor diesem Hintergrund insbesondere die Bedeutung der vertrauensvollen Partnerschaften mit den Förderorganisationen in Japan, Japan Society for the Promotion of Science (JSPS), Japan Science and Technology Agency (JST) und Japan Agency for Medical Research and Development (AMED).
Eine Einführung in das Thema der Konferenz gab Moderator Prof. Dr. Ralf Stoecker, Professor der Praktischen Philosophie an der Universität Bielefeld. Auch Professor Stoeckers Arbeit weist Bezüge zu Japan auf, da er mit Kolleginnen und Kollegen von der Sophia University, Hitotsubashi University und University of Toyama u.a. zu dem Thema Menschenwürde – songen auf Japanisch – zusammenarbeitete.

DFG Generalsekretärin Dr. Heide Ahrens stellte in einem Grußwort den Heinz Maier-Leibnitz Preis sowie die Preisträgerin Dr. Fruzsina Molnár-Gábor vor und wies dabei auf die Kombination von wissenschaftlicher Exzellenz, internationaler Offenheit und Vielfalt der Perspektiven hin, die nicht nur die Zusammenarbeit von Dr. Molnár-Gábor mit ihrem langjährigen Kooperationspartner Prof. Dr. Kazuto Kato von der Osaka University, sondern auch die Konferenz prägte.Professor Kato ist neben seiner vielfältigen Forschungsarbeit auch in nationalen und internationalen Gremien wie dem Ethics Committee of Human Genome Organization, oder dem Advisory Committee on Developing Global Standards for Governance and Oversight of Human Genome Editing of the World Health Organization tätig.

In den Vorträgen von Dr. Molnár-Gábor über „Public interest in genomic medicine” und Professor Kato zu “Dynamic changes in the governance of medical and genomics research – towards more inclusive and equitable approach” wurde die thematische Basis für eine vertiefende und kritische Podiumsdiskussion zum Thema der “Changing landscape of medicine – Genomic technology and patient involvement“ gelegt. Dr. Solveig Lena Hansen von der Universität Bremen, die unter anderem in dem DFG-geförderte Projekt „’Ich möchte lieber nicht.’ Das Unbehagen mit der Organspende und die Praxis der Kritik. Eine soziologische und ethische Analyse.” forschte, griff ethische Aspekte auf und stellte die Frage „Warum brauchen wir ‚Patient Involvement‘“.

Frau Haluna Kawashima, Project Associate Professor am Keio Global Research Institute (KGRI) in Tokyo, kommentierte die Vorträge von Dr. Molnár-Gábor und Professor Kato aus ihrer Perspektive der Rechtswissenschaften vor dem Hintergrund ihrer Forschung zur Regulation von Datenplattformen in Bezug auf Demokratie, persönliche Freiheit, soziale Absicherung und Staatssouveränität. Aus der Sicht der Sozialwissenschaften wies Prof. Dr. Kaori Sasaki von der Sapporo Medical University auf drei Aspekte hin, die eine wichtige Rolle in Bezug auf digitale Patientendaten spielen, „Gemeinnutz“, „Teilhabe“ und „Einwilligung“. Dabei verwies sie auf die begrenzten Teilhabemöglichkeiten von marginalisierten Gruppen wie Menschen ohne Krankenversicherung, die sie im internationalen Vergleich untersucht.

Zuletzt besprach Prof. Dr. Soichi Ogishima von der Tohoku University in Sendai Datenschutzaspekte aus seinem Blickwinkel als Leiter der Tohoku Medical Megabank Organization, mit einem Datenpool von 140.000 Personen, die ihre Genomdaten zur Verfügung stellten. Wichtig scheinen aus seiner Sicht für die internationale Zusammenarbeit Aspekte wie Reziprozität oder Diversität. Eine Schlüsselrolle spiele jedoch für die Tohoku Medical Megabank Organization „Public Interest“. So ist die Megabank nicht in erster Linie ein Ort der Datenspeicherung, sondern hat auch eine wichtige Funktion bei der Vertrauensbildung.

Bei der anschließenden offenen multidisziplinären Diskussion verband Moderator Professor Stoecker die verschiedenen Ansätze und warf Anknüpfungspunkte für die folgenden Gruppendiskussionen in der Breakout Session auf. In drei Gruppen zu Legal / Data Issues, Bioethics / Ethical Issues sowie Legal / Social Issues konnte die Diskussion thematisch kanalisiert und vertieft werden.

Die bilaterale Online-Konferenz zeigte, dass insbesondere bei Fragen zu wissenschaftlichen Praktiken im Bereich Patient Involvement – beispielsweise „Wie integriert man Patienten in Planung von Forschungsprojekten?“ – aber auch bei philosophischen Fragestellungen wie zu der „Rolle von Vertrauen“ die Diskussion vom interkulturellen Vergleich profitieren konnte.
Auch wurde deutlich, dass Potential für Kooperationen und einen weiteren Austausch mit Japan besonders im Bereich Bioethik / Ethik in der Medizin und weiteren ELSI-Aspekten besteht.

Diese erste DFG-Heinz Maier-Leibnitz-Preis Online-Konferenz offenbarte Möglichkeiten für multidisziplinäre und internationale Ansätze zur intensiven Diskussion offener Fragestellungen aus den verschiedenen Perspektiven der unterschiedlichen Wissenschaftsbereiche.

Ein Video der Vorträge und Podiumsdiskussion der Online-Veranstaltung ist auf dem YouTube Kanal des DWIH Tokyo abrufbar (die Gruppendiskussionen in der Breakout Session wurden nicht aufgezeichnet).

YouTube-Video der Konferenz