„Es lohnt sich, deutsche und japanische Forschungsanstrengungen zusammenzuführen“

Axel Karpenstein © DAAD Tokyo/Axel Karpenstein

Axel Karpenstein, neuer Direktor des DWIH Tokyo, spricht im Interview über Vernetzung in vielfältigen Themenbereichen, das japanische Interesse an Deutschland und die Vorteile des asiatischen Standorts.

Herr Karpenstein, Sie haben im August 2022 die Leitung des DWIH Tokyo übernommen. Wie hat sich Ihr Haus im vergangenen Jahr entwickelt?

2022 wurden neue Themen und Zielgruppen in den Blick genommen, die wichtig bleiben werden. So spielen Diversity und die Gleichstellung der Geschlechter für uns eine immer größere Rolle. 2022 haben wir dazu mehrere Veranstaltungen organisiert und dabei erstmals die FemTech-Branche in den Blick genommen. In Japan gibt es einen Boom bei Start-ups; viele entwickeln Innovationen für die weibliche Gesundheit. Die Vernetzung in diesem Bereich wollen wir weiter fördern. Auch das Thema Transfer hat im vergangenen Jahr an Bedeutung gewonnen. Anwendungsnahe Forschung wird in Japan schon seit Langem gezielt gefördert. Der aktuelle „Basisplan für Wissenschaft, Technologie und Innovation“ der Regierung stellt den Nutzen neuer Technologien für die Gesellschaft in den Mittelpunkt. Ich finde es beeindruckend, wie konsequent Japan Forschung und Wissenstransfer fördert, um die großen Herausforderungen wie den Klimawandel mit innovativen Ideen anzugehen!

Welche Bedeutung hatte für das DWIH Tokyo das Schwerpunktthema „Nachhaltige Innovationen“?

Unsere verschiedenen Veranstaltungen rund um Nachhaltigkeit haben die Erkenntnis verstärkt, dass innovative Technologien zentral sind, um der Bedrohung durch die Klimakrise zu begegnen. Der Weg allein über Reglementierungen und freiwillige Einschränkungen wäre zu langsam – wichtig sind schnelle Alternativen zu fossilen Brennstoffen. Jetzt ist der Zeitpunkt da, an dem diese Technologien praktisch umgesetzt werden. In der Forschung zur Wasserstoff-Technologie liegt Japan weltweit an der Spitze. 2017 war es das erste Land, das eine nationale Wasserstoff-Strategie verabschiedet hat.

Welche Bereiche neben erneuerbaren Energien sind in Japan für Innovationstreiber derzeit besonders interessant?

Auch in Robotik und Materialwissenschaften ist Japan weltweit führend. In diesen Bereichen können deutsche Partner von der Zusammenarbeit besonders stark profitieren. Bei der Künstlichen Intelligenz (KI) liegen beide Länder gleichauf und ergänzen einander sehr gut. Es lohnt sich, die Forschungsanstrengungen zusammenzuführen, um gemeinsam voranzukommen und den Vorsprung der USA und Chinas zu verringern. Gerade beim Thema KI ist die Frage relevant, wie sich rapider technologischer Fortschritt mit gesellschaftlichem Wohlergehen verbinden lässt. Wie wichtig KI und erneuerbare Energien in der deutsch-japanischen Zusammenarbeit sind, zeigt sich übrigens auch an den beiden neuen Unterstützern, die wir 2022 gewonnen haben: das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), das eine Vertretung in Osaka eröffnet hat, und das Energieforschungszentrum Niedersachsen. Natürlich ist Japan auch in anderen Bereichen für Innovationstreiber interessant. Im Nature Index, der den wissenschaftlichen Output von Institutionen und Ländern misst, liegt das Land auf Platz 5. Schon seit etwa zwanzig Jahren fließen rund drei Prozent des japanischen Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung.

Wie wollen Sie die Vernetzung zwischen deutschen und japanischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern 2023 weiter voranbringen?

Im Moment arbeiten wir daran, die deutsche Forschungslandschaft in Japan noch bekannter machen. Informationen über Ausschreibungen und laufende Projekte in Deutschland geben wir ohnehin auf unserer Website, im Newsletter und in sozialen Medien weiter. Darüber hinaus wollen wir japanische Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler gezielt über Hochschulstrukturen und Programme informieren und auf Fördermöglichkeiten in Deutschland aufmerksam machen. Ende April 2023 haben wir gemeinsam mit Wissenschaftsorganisationen und deutschen Hochschulen aus unserem Netzwerk eine virtuelle „German Research Fair“ veranstaltet. Mehr als 400 interessierte Studierende und Forschende aus Japan haben sich angemeldet!

Inwieweit profitieren Sie grundsätzlich vom Standort Tokyo?

Dass wir in Tokyo präsent sind, ist ein großer Vorteil. Weil es hier keinen kompletten Lockdown gab, konnten wir auch während der Pandemie Besucherinnen und Besucher aus der japanischen Wissenschaft und Wirtschaft empfangen, die auf der Suche nach deutschen Forschungspartnern waren. Generell wissen die Menschen in Japan sehr viel über Deutschland und Europa. Aber auch in Deutschland ist das Interesse an der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit Japan groß. Die Zahl der Hochschulpartnerschaften steigt weiter, und ich freue mich, dass auch die Zahl der Bewerbungen für Forschungsaufenthalte in Japan zunimmt.

Interview: Miriam Hoffmeyer